Dienstag, 9. November 2010

Gemütlich im Hamsterrad.

Mag man sich auch noch so anstrengen, der Alltag wirft einen jeden Tag auf's Neue aus der Bahn. Dabei ist Bahnfahren mittlerweile echt kostenintensiv geworden, das aber nur nebenbei bemerkt. Nein, es betrifft mein Leben unmittelbarer als es dem öffentliche Nahverkehr je möglich wäre. Kürzlich ging unser Spülkasten über den Jordan und führte mir wieder mal schmerzlich die Vergänglichkeit des Irdischen vor Augen. Die Vergänglichkeit ist nicht unbedingt etwas, womit man sich in meinem Alter überhaupt auseinandersetzen würde. Es ist nicht, dass der Student sich weigert die Realität wahrzunehmen. Besonders in Wohngemeinschaften drängt es sich einem geradezu auf, also in diesem Fall sie, die Endlichkeit. Dort konkret wahrscheinlich die Verderblichkeit. Kühlgeräte stehen dort wohl vor allem um der Fäule das Leben zu verlängern. Ja, ich will hier eine Lanze brechen für den Gammel. Denn wenn's im Kühlschrank schon nicht modert, dann nimmt der Studist einen dementsprechenden körperlichen Zustand ein. Genau, er gammelt, so sieht's aus. Diesem viel gescholtenen Wort würde ich gern die abwertende Bedeutung nehmen. In intellektuellen Kreisen nennt man dies nämlich Muße. Bestimmte Berufsgruppen, zum Beispiel Banker, scheiden hier sofort aus. Sie gehören nicht zum intellektuellen Kreis, meine ich damit. Aber das war ja schon vorher klar. Diese haben höchstens noch eine Muse, aber für die werden sie auch nicht besonders viel Zeit haben. Womit ich beim Stress wäre. Ein Merkmal der Postmoderne, in welcher wir leben. Der moderne getriebene Bürger zeigt mit diesem, dass er wichtig ist, Verantwortung trägt, eine hohe Position einnimmt. Was auch immer. Ganz bestimmt zeigt er das nicht nur, es ist auch wirklich so. Er stellt sich dabei aber derart dar, als wäre er unfähig dem Hamsterrad zu entkommen, ganz so als wäre ihm ein Zwang auferlegt. Selbst der Hamster ist nicht dermaßen blöd, das Hamsterrad nicht verlassen zu können. Genau, du denkst dein Hamster bohnert. Solche manuellen Tätigkeiten überlässt der moderne Rastlose natürlich seiner Haushaltshilfe. Auch diese ein Statussymbol. Nur Leasen kann man die noch nicht, wie andere Prestigeobjekte. Lassen kann man sie allerdings. Der Getriebene unterschätzt dabei eben welche Muße die Zeit gelegentlicher Hausarbeit bietet. Der Student kennt das, wenn Wichtigeres ansteht. Bei Managern scheint also nichts wirklich wichtiges anzuliegen. Ziehe ich absurde Schlüsse? Weißt mich bitte darauf hin. Die kapitalistische arbeitsteilige Gesellschaft ist also so gewieft organisiert, dass immer weniger die Arbeit von einst vielen verrichten. Und noch wenigere das Kapital besitzen, aber das ist eine andere Sache. Dankbar wäre ich hier über eine Gastbeitrag aus dem Lager des Postkommunismus. Vielleicht macht mal jemand ein Interview mit dem Veteran von der Prager Straße, der sicher immer noch die Fahne hochhält. Der ist noch nicht verblendet vom Kommerz, und würde hier den polemischen Ton richtig treffen. Die Themen hier will ich bewusst nicht allseitig beleuchten, das hier soll zum Nachdenken anregen. Ich schweife ab. Es ging um die Arbeitsteilung der Gegenwart. Dieser kleine Teil Menschen also stemmt die ganze Wirtschaftsleistung, während der andere in der sozialen Hängematte zur Muße gezwungen ist. Will er das denn wirklich? Nein, er fühlt sich minderwertig, oder ist es schon, nach Thilo. Den Wert eines Menschen an Arbeit zu messen, daran vermag ich so schnell auch nichts ändern. Da meiner Meinung nach aber genug Arbeit für alle da ist, müsste man diese nur besser verteilen, dann bliebe für alle mehr Zeit zur Muße. Zumal der Staat, oder der Steuerzahler, der personifizierte Gemolkene, eine zunehmende Zahl Bürger im sozialen Ohrensessel zu tragen hat. Ich meine die Rentner. Die Müllabfuhr bietet hier ein gutes Beispiel. Nicht für die Rentner. Früher befanden sich auf derartigem Gerät ein Fahrer und zwei welche den toten Winkel im Blick hatten. Heute hat der Fahrer dafür eine Videokamera. Ist das wirklich Fortschritt? Wenn ich studiere um später einmal so etwas zu entwickeln, werde ich die soziale Hängematte vorziehen. Egal wie Thilo mich dafür einschätzt. Von den zwei ehemaligen Meldern hat vielleicht einer eine neue erfüllendere Tätigkeit gefunden. Während der andere zur See fährt, aber auch nur weil es dort Hängematten gibt. Abschließen möchte ich mit einem Sprichwort aus England: "Heirate mit Eile, bereue mit Muße." Ach so: ich habe bewusst das Wort "chillen" vermieden. Solche Zustände haben mit Intellekt meiner Meinung nach nicht viel zu tun. Aber immer noch besser als das Hamsterrad, das ist nur etwas klein für den Banker.

2 Kommentare:

Eckardt I. Bezwinger der Schlei, Schutzheiliger der Matjesverkäufer hat gesagt…

Ich hab auch ein Zitat aus England:

"Dem Kapitalismus wohnt ein Laster inne: Die Verteilung der Güter. Dem Sozialismus hingegen wohnt eine Tugend inne: Die gleichmäßige Verteilung des Elends"

Winston Churchill

Die Frage ist halt was man lieber möchte, ein Leben wie in China oder beim Fidel auf der Insel; oder man Hanstert sich ab und versucht auf die Seite der Besittzenden zu kommen. Dazwischen kann es leider nichts geben.

der SEB hat gesagt…

Letztes Wochenende war derart verregnet, dass ich keine Lust hatte mich an der frischen Luft zu betätigen. Also habe ich mal wieder Wäsche gewaschen. Lange Rede gar kein Sinn - ich habe eine halbe Stunde damit zugebracht dem Rotieren der Waschtrommel zuzusehen. Nun stellt sich mir die Frage, ob das Leben des modernen Bürgers nicht viel eher mit der Wäsche in der Waschmaschine zu vergleichen ist als mit dem Hamsterrad. Ohne Zweifel ewig im Kreis drehen sich beide. Die Wäsche muss sogar noch mehr über sich ergehen lassen. Sie wird geschleudert und dreht sich mal in die eine und mal in die andere Richtung. Aber dann kommt der Unterschied. Während der Hamster immer Hamster bleibt, auch wenn er sein Rad verlässt oder gleich den Löffel abgibt, so endet für die Wäsche ein jedes Waschprogramm. Im Anschluss ist sie zwar feucht und faltig doch sie ist gereinigt vom Schmutz des Daseins. Es gibt doch schließlich nichts schöneres als seine Gedanken - einem Hemd auf der Leine gleich - im lauen Sommerwind schweifen zu lassen. Das ist für mich die wahre Muße denn nur wer das Rotieren in der Trommel kennt, weiß auch die Annehmlichkeiten dieses Genusses zu schätzen. Alle anderen, die sich bewusst dieser Reinigung entziehen, werden auf ewig als miefende Socke in einer Ecke gammeln und auf den Tag ihrer Entsorgung warten. Aus diesem Grunde werde ich freiwillig in die Trommel des Lebens steigen. Ob der Regler dabei auf Kurzprogramm oder Vollwäsche steht ist mir dabei gleich - nur kein extra Schleudergang bitte!