Dienstag, 28. Juni 2011

Wie schön ist es doch in der Uckermark.

"Nicht was man benötigt, hat man schließlich; sondern was man hat, das benötigt man schließlich. Der jeweilige Eigentumsstand gerinnt und etabliert sich psychologisch zum Normalzustand. [...] das Bedürfnis folgt dem Konsum auf dem Fuße. [...] womit gesagt ist, das die Bedürfnisse ihr Da- und So-Sein der faktischen Existenz bestimmter Waren verdanken." Lest keine Krimis, auch keine Thriller. Obwohl ich zugeben muss, dass es einem auch beim Vorabendprogramm im Fernsehen kalt den Rücken runterlaufen kann, ist nichts so wachrüttelnd wie den Zustand der Gesellschaft anhand ein paar Zeilen eines Buches zu begreifen. Ob ich dazu anregen kann, keine Ahnung. Wer wilĺ schon kritische Menschen. Politiker brauchen Angst. Unabhängige Medien verdienen mit dieser ihr Geld. Ich halte nichts von Atomkraft, das habe ich auch schon vor größeren Wellen an Küsten technikgläubiger Nationen getan. Wellen gab es dann auch in unseren Gefilden. Ich bin froh, das diese Debatte kam. Mit Ereignissen in fernen Ländern haben unsere Verhältnisse herzlich wenig zu tun. Nein, ich will auch nicht schon wieder über bestimmte konserative Parteien mit Vorsitzenden aus der Uckermark herziehen. Keine Zeile wäre das wert. Diese können sich selber am besten ruinieren. Was in pazifiknahen Kraftwerken passiert, und vor allem was es für die Menschen bedeutet, kann sich sowieso keiner vorstellen. Günter Anders spricht vom prometheischen Gefälle. Dem Auseinanderklaffen von unserem Tun und unserem Fühlen zum Beispiel. Wir können früh bei Walther in die Waffenfabrik radeln und zwischen Frühstücks-Kaffee und Sauerbraten Dinge produzieren, durch diese woanders Zustände entstehen, die kein Wort hier fassen kann. Sicher, sozial ist, was Arbeit schafft. Und auch mit einem Küchenmesser kann ich meinen Nachbarn umbringen. Die Frage ist, ob WMF nach Afrika exportiert. Letzter Einwand wäre vielleicht noch, das Derartiges woanders produziert werden würde, wenn wir es nicht täten. Wenn das wirklich die Rechtfertigung für unser Tun ist, dann habe ich keine Lust mehr darüber zu Reden. Das eigentliche Problem ist doch, dass auf der ganzen Kugel, in der täglich ein jeder das Hamsterrad betritt, sich niemand Gedanken macht. Deine Handgriffe versickern im Produktionsprozess. Mit Gesellschaftsformen hat das nichts zu tun. Demokratien sehen Wirtschaftswachstum unkritisch, der Kommunismus will schritthalten. Habt ihr an der UNI schonmal einen kritischen chinesischen Studenten gesehen? Sicher, China hat nichts mit dem Kommunismus zu tun, und meine Frage nichts mit dem Thema, weil es keinen chinesischen Studenten aus der Schublade gibt. Trotzdem ist klar was ich meine. Die ganze Welt redet von Fortschritt, aber auf welchem Gebiet? Technisch. Wirtschaftlich. Universitäten sollen fähige Leute für den Markt produzieren, bitte möglichst effizient. Sieht irgendjemand moralischen Fortschritt? Es gibt unbestreitbar Dinge, die historisch einmalig sind. Derartig lange friedliche Zeiten in auf so großem Gebiet wie Europa, unerreicht. Was kommt stattdessen in den Blickwinkel der Bürger, worüber werden Debatten geführt? Über Bücher grenzwertiger Autoren von bemerkenswerter Jämmerlichkeit. Doktorarbeiten. Integrationsprobleme. Ist das nicht lächerlich gegenüber dem Rest der Welt, der Überlebensprobleme hat und unsere Neun-Euro-H&M-Shirts näht? All das kommt mir selbst auch nur viel zu selten in den Sinn. Auch ich habe Klamotten solcher Massenbekleidungskonzerne an. Ich klage mich also mit diesen Sätzen auch selbst an. Desillusioniert werde ich mich nun in die Horizontale begeben. Morgen früh meinen Kaffee vom arbeitnehmerfreundlichen Discountmarkt trinken, zu meinem Praktikum radeln, um nicht darüber nachzudenken, was die entwickelten Produkte anrichten. Wir stecken alle schon viel zu tief drin. Entschuldigen kann das gar nichts. Aber nur dem kritischen Bewusstsein kann der Widerstand entspringen. Wenn dieses fehlt, hat der geistige Selbstmord schon zugeschlagen, RTL. Was ist schon unabhängig in dieser Welt. Am Geld hängt alles. "Freiheit bedeutet nichts mehr zu verlieren zu haben." Dieser Satz rauschte erst an mir vorbei, bevor ich begriffen habe, das er alles auf den Punkt bringt. Brecht aus. Reist. Ohne Benzin. Lauft. Klaut Äpfel. Zeltet wild. Wie kann Natur Privateigentum sein.

Samstag, 22. Januar 2011

Tempo-Linsen.

Cheese. "Unsere Erfindungen sind gewöhnlich hübsche Spielsachen, die unsere Aufmerksamkeit von ernsten Dingen ablenken. Sie sind nur verbesserte Mittel zu einem unverbesserten Zweck [...]" Ob Thoreau vor einhundertfünfzig Jahren schon an den knipsenden Japaner dachte? Der Durchbruch der digitalen Fotografie ist für mich einfach nur Spiegel der Gesellschaft. Nichts könnte besser in die Lebensart der Menschen passen. Die moderne Zeit: Masse, Geschwindigkeit, beides am liebsten unmittelbar. Digitale Fotografie kann dir das bieten. Sie ist schlechter, dafür wenigstens schneller. Mit ihr gibt es mehr und das sofort. Das passt wunderbar in die beschleunigte Welt. Zeit um über die eigene Lebensweise nachzudenken? Unmöglich zwischen Kaffee-zum-Gehen und dem blättern auf deinem Taschentelefon. Mäßigung? Wo wird heute noch Maß gehalten? Alles ist pauschal. Dein Mobiltelefon-Tarif, dein Internet-Anschluss, der Alkohol abends am Tresen. Wenn du vom Überfluss des Tages runter kommen willst, brauchst du natürlich auch an der Bar die Grenzenlosigkeit. Die neue Unendlichkeit. Wenn in Mathe irgendwas gegen Unendlich ging, konnte es sich keiner vorstellen. Im Alltag soll aber jeder damit umgehen können. Natürlich. Warum genügsam sein mit dem Aufnehmen von Fotos, dich zurückhalten, weil du vielleicht nur einen Film mit hast oder weil dein Konto es nicht hergibt tausend Bilder von einem Wochenende entwickeln zu lassen? Ja, warum eigentlich. Deine Festplatte ist das Loch in das du deine Erinnerungen schüttest. Fotoalbum. Meine Güte, was ist das denn? Wer hat den für so was Zeit? Klar, der moderne Mensch fährt Auto, hat eine Spülmaschine, muss Wäsche nicht mehr selber waschen und bekommt alles nach Hause geliefert. Wie soll man da mehr Zeit haben für solche Dinge? Alles nur noch einen Klick entfernt. Es kann nur Fetisch sein, unter solchen Umständen eine analoge Kamera benutzen zu wollen. Ein Klick bringt dich da nicht besonders weit. Zwischen dem Moment und dem Bild liegen das Drehen an diesem Rädchen, jenem Hebel und vor allem das Warten nach dem Wegschaffen deines Filmes. Ein beschleunigtes Leben gibt das einfach nicht her. Permanente Aktivität ist das Leitbild. Die Frage, wie die digitale Fotografie als passives Medium dazu passen soll, kann ich mir auch nicht beantworten. Sie zwingt dich nicht, dir Gedanken über die Situation zu machen, dir die Einstellungen der Kamera vorher zu überlegen. Du könntest das, auch heute noch. Aber wer macht etwas, was er könnte, wenn er nicht muss? Warum sollte sich außerdem jemand über das Motiv einer Fotografie vorher Gedanken machen, wenn man sich heute sowieso über nichts mehr Gedanken macht? Die Kamera hat eine Automatik, diese ist das Mittel der Wahl. Letztens habe ich mal wieder Dias gesehen. Viele waren es nicht von den Urlauben in den Achtzigern, dafür waren es lange Geschichten zu jedem Bild. Der Rest entsteht dann in deinem Kopf. In meinem Kopf entstand auch die Vorstellung von einem Foto-Abend in fünfzig Jahren. Von jedem Urlaub achthundert Bilder, wenn deine Festplatte nicht schon kapituliert hat. Das kann ein langer Abend werden. Wenn ihr nach einem Urlaub aussortiert, dann Hut ab. Ich mache es nicht. Wie gesagt, auch ich habe eine Spülmaschine und bewege mich mitunter motorisiert fort. Da bleibt keine Zeit, genau. Wenn du aber vor einem Stapel Fotos sitzt, die du nur analog hast, dann bist du zum Ordnen gezwungen, oder du siehst eben nicht durch. Nun. Der Zweck, der beiden Methoden letztendlich innewohnt, ist wohl die Erinnerung. Es kann natürlich auch sein, dass es noch um viel mehr geht: "Die menschliche Zeit dreht sich nicht im Kreis, sie verläuft auf einer Geraden. Das ist der Grund, warum der Mensch nicht glücklich sein kann, denn Glück ist der Wunsch nach Wiederholung." Kundera hat mal wieder das Dilemma auf den Punkt gebracht. Das einzige was wir wohl tun können, ist intensiv zu leben. Und dafür hast du wohl auf jeden Fall mehr Zeit, wenn du nicht die ganze Zeit Fotos machen willst. Ob jede Minute deiner Existenz in Bildern auf Gesichtsbuch dein Leben wirklich bereichert, das musst du selbst wissen. Der einzige unbestreitbare Vorteil einer Welt ohne digitale Fotografie wäre wohl, dass es keine Bild-Leserreporter gäbe. Der absolute Gipfel der Entbehrlichkeit. Die Bild-Zeitung gäbe es wahrscheinlich trotzdem, da ein jeder etwas braucht was er mal ordentlich gering schätzen kann. Solange es nicht das eigene Leben ist was er verachtet, indem er die Bild-Zeitung auch noch käuflich erwirbt. Ein weiteres Beispiel, dass der Mensch nicht vernunftgeleitet ist. Man könnte fast konservativ werden. Aber das Wählen der CDU würde ja nur bestätigen, das man nicht vernunftbestimmt lebt. Es ist einfach zum Heulen.

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Gleichgewichtssinn.

Nun bin ich nur einmal auf der Welt, es ist mir nicht möglich mein Leben zu wiederholen. Welchen Grund sollte es also geben, meine Zeit, meine Gedanken, meine Fähigkeiten dafür zu verschwenden, dass zu lernen oder zu begreifen, was gerade der Zeitgeist ist, was die Gesellschaft bestimmt? Wenn das vorherrschende Wirtschaftssystem gerade der Kapitalismus ist, gebe ich meine besten Jahre, meinen Erkenntnisdrang, meine Neugier dafür, die Strukturen dieses Systems zu begreifen, dessen Gesetzmäßigkeiten zu verinnerlichen. Natürlich, denn ich strebe nach Wohlstand, nach Anerkennung und nach Status. Ich will nicht bestreiten, dass es Studenten gibt, welche sich für derartige Dinge interessieren. Diese sollten ganz sicher das nötige Wissen erwerben, denn sie haben den nötigen Enthusiasmus, mit dem sie die Entscheidungsträger der Gesellschaft werden sollten. Den nötigen Weitblick setze ich bei solchem Intellekt voraus. Andererseits will ich annehmen, dass es nicht wenige Studenten gibt, welche mit Naturwissenschaften nichts am Hut haben und die Geisteswissenschaften verachten und sich deshalb für das Wirtschaftsstudium entschieden haben, weil sie es für das kleinere Übel hielten. Sowie sie sich von ihm den höchsten Status und ein sicheres Einkommen versprachen. Sollen solche Menschen, denen ich noch nicht einmal unterstellen möchte, dass sie halbherzig bei der Sache sind, schließlich sind sie auf der Jagd nach Credit Points, wirklich diejenigen sein, welche die Geschicke unseres Landes bestimmen? Nicht besser die Techniker, die ohne den nötigen Weitblick, ohne die Folgen ihrer Konstruktionen zu überschauen, Dinge entwickeln deren Tragweite sie nicht begreifen können. Mit meiner eigenen Studienwahl kann ich mich ganz gewiss zu dieser Gruppe zählen, und auch ich werde wohl Gefahr laufen, an Geräten oder Systemen mitzuwirken, ohne deren Auswirkungen vorhersehen zu können. Auch Ingenieure befassen sich in ihren besten Jahren mit den Techniken, die gerade Mode sind, welche der Zeitgeist hervorgebracht hat. Sollte gerade die Elektromobilität ein großes Thema sein, so wird dies im Studium seinen Niederschlag finden. Der Student hat also Wissen zu vertiefen, über dessen Inhalt er nicht entscheiden kann, sollte er ein derartiges Studienziel wählen. Es zeigt sich also ein Dilemma, welches die Wirtschafts- wie auch die Ingenieurwissenschaften gleichermaßen betrifft, es wird versucht Grundlagen aktuell zu halten, diese dem Zeitgeist anzupassen. Ist es nicht bei der Ausbildung von Akademikern, welche in meinen Augen allseitig gebildet sein sollten, wesentlich sinnvoller sich mit den Begrifflichkeiten auseinander zusetzen, welche die Menschheit seit jeher betreffen: Abstraktem wie Wahrheit, Sein, Vorstellung, Bewusstsein oder Moral, um den Erkenntnisdrang zu stillen, wenn er denn überhaupt noch vorhanden ist. Sicher kann man mit dem Wissen über die Bedeutung der Wahrheit kein Haus bauen, jedoch meine ich hier diejenigen welche ein sogenanntes Brotstudium wie BWL wählen, aber nicht ganz bei der Sache sind, weil sie für derart Abstraktes Interesse zeigen. Sollten nicht Studenten ohne nötigen Weitblick und mit Abscheu vor den Geisteswissenschaften nicht lieber manuell arbeiten, bevor sie mit ihrem Drang nach Status und Anerkennung entscheidende Positionen der Wirtschaft besetzen und Einfluss auf das Leben vieler Menschen gewinnen? Dazu kommt mir ein absurdes Beispiel in den Sinn: Wäre es nicht dasselbe, wenn ein Kind mit einem Laufrad herumspielt, sei es weil es seinen Gleichgewichtssinn verbessern will, oder weil es ihm einfach nur Spaß macht, man ihm das Laufrad wegnehmen würde um es in ein Kettcar zu setzen, wobei man ihm dabei sagt: "Heutzutage fährt niemand mehr auf zwei Rädern, wozu willst du dann es lernen?" Ist es nicht dasselbe, als wenn sich ein junger Mensch für die Bedeutung des Seins interessiert, man ihn aber dazu anhalten würde, unser Wirtschaftssystem zu begreifen, weil es heutzutage unwichtig ist das Wort "Sein" zu durchdringen, sondern nur unsere Wirtschaftsordnung zu kennen. Kann es sein, dass manche Studenten ihre Studienwahl ändern, weil sie aufgrund gesellschaftlicher Akzeptanz, welche sich außerdem oft im Auskommen niederschlägt, indirekt dazu gezwungen sind? Ich rede von Akzeptanz, nicht von Anerkennung. Das ein Verächter der Geisteswissenschaften ein derartiges Studium nicht anerkennen kann, mag sein, zur Akzeptanz sollte es aber reichen. Welchem Student wird wohl mehr Akzeptanz zuteil, dem BWLer oder dem Philosophen? Nun, wenigstens sind solche Verächter leicht an Fragen wie "Was willst du damit mal machen?" oder "Wozu braucht man sowas?" zu erkennen, wobei die letzte an Niedertracht nicht zu übertreffen ist. Passend dazu ein Zitat aus Nietzsches ,Morgenröte': "Unser Zeitalter, soviel es von Ökonomie redet, ist ein Verschwender, es verschwendet das Kostbarste: den Geist.", es kann in diesem Zusammenhang übrigens nicht schaden sich mehr von diesem Buch zu Gemüte zu führen. Tja, ich kann auch nichts daran ändern, dass unsere Gesellschaft nicht vom Streben nach Erkenntnis geprägt ist, sondern vom Streben nach Geld. Ich weiß nur, das Geld seinen Wert verlieren kann, mir das Gefühl der Erkenntnis aber niemand zu nehmen vermag.